Die letzten Wiener Branntweiner

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Die letzten Wiener Branntweiner
Sie sind ein Relikt aus Zeiten, in denen Alkohol vor oder bei der Arbeit noch nicht sozial geächtet war. Die „Brandineser“ und Likörstuben sind im Stadtbild mittlerweile sehr rar geworden.
Nicht immer hatte der Briefträger bei seinem Besuch auch wirklich Post dabei. Doch der Zustellwagen vor der Tür der Branntweinschenke gehörte irgendwie dazu damals. Noch mehr, der Postler beim Branntweiner war fast schon ein klischeehafter Teil des Wiener Stadtbildes. Eines Stadtbilds, das heute fast nur noch in nostalgischen Rückblicken zu finden ist. Denn der „Brandineser“, wie diese Art Lokal in Wien auch genannt wurde, ist längst zu einem seltenen Kuriosum geworden.

Franz Sveceny wird Ehrenbürger von Floridsdorf

Das Floridsdorfer Urgestein Franz Sveceny betreibt mit der Likörstube einen wichtigen Treffpunkt im Bezirk. Dafür wurde er jetzt ausgezeichnet.
Die Gegend rund um den Floridsdorfer Markt ist von Kindheit an die Heimat des 79-Jährigen. Ganz in der Nähe seiner Likörstube in der Brünner Straße 30 wurde er 1939 geboren und im Alter von sechs Jahren beinahe von einer Bombe getötet. "Die hat fünf Meter neben mir eingeschlagen. Aber anscheinend war mir etwas anderes vorbestimmt", so der rüstige Sveceny.
Nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm das Floridsdorfer Urgestein bereits im Alter von 17 Jahren die Likörstube. "Meine Mutter hat das nicht alleine geschafft, also habe ich ihr geholfen." Seitdem steht Sveceny jeden Tag in seinem Geschäft – außer er reist um die Welt, was seine große Leidenschaft ist. "Ich habe zusammen mit meiner Frau bereits über 100 Länder bereist. Von anderen Kulturen lernen und sein eigenes Weltbild vergrößern ist immens wichtig." Das passiert jedoch nicht nur auf Reisen, sondern auch in seiner Likörstube, in der sich seit dem Jahr 1911 Floridsdorfer zum Plaudern und Austauschen treffen.
Menschenfreund aus Floridsdorf
"Man muss die Menschen mögen und man muss zuhören können, denn nur so lernt man auch voneinander", ist der Globetrotter überzeugt. Bedauerlich findet Sveceny, dass es immer weniger Unternehmen und Wirte in Floridsdorf gibt, weil damit auch wichtige Kunden und Treffpunkte im Bezirk verloren gehen. "Früher habe ich mein Geschäft schon um 6 Uhr Früh aufgesperrt, weil da die Eisenbahner und Arbeiter aus anderen Betrieben zu mir gekommen sind. Aber das ist schon lange vorbei."
Trotzdem ist die Likörstube nach wie vor ein beliebter Treffpunkt gerade für Floridsdorfer im Bezirk. Um seinen Einsatz zu würdigen, wurde Franz Sveceny deshalb vor Kurzem von Bezirksvorsteher Georg Papai zum Ehrenbürger von Floridsdorf ernannt. "Das freut mich, und eines kann ich versprechen: Solange ich lebe, wird es die Likörstube auch weiter geben."
(Text: Conny Sellner, 18.05.2018)





